Das Bundesgericht veröffentlicht unermüdlich wegweisende Urteile. Um dieser Flut an Rechtsprechung Herr zu werden, fassen wir – konkret Paul Stübi – wöchentlich die relevantesten Urteile kurz und knapp zusammen. Diese kurze Übersicht wird in Zukunft regelmässig veröffentlicht. Ziel ist es dabei nicht, sämtliche Punkte aller Urteile wiederzugeben. Vielmehr soll dem interessierten Leser die Möglichkeit eröffnet werden, sich aktuell und zeitsparend über die ihn interessierenden Urteile auf dem Laufenden zu halten. Der Fokus liegt dabei auf den deutschsprachigen Urteilen, wobei jedoch die französischsprachigen und italienischsprachigen Urteile zeitnah nachgereicht werden. Wir hoffen, damit einen kleinen Beitrag an die Schweizer Juristerei liefern zu können und freuen uns über sämtliche Rückmeldungen und Ergänzungen.
18.12.2023 – 22.12.2023
Bundesgerichtliche Rechtsprechung
Zusammengefasst von Deborah Kaderli
4A_290/2023, 4A_292/2023, 4A_294/2023* (29.11.2023): Markenrecht, UWG
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung setzt Art. 4 MSchG («Eintragung zugunsten Nutzungsberechtigter») ein Vertragsverhältnis voraus. Das Bundesgericht verwies im vorliegenden Entscheid darauf hin, dass es sich bei Art. 4 MSchG nicht um einen vertraglichen Anspruch handle, sondern um einen besonderen Schutzausschlussgrund im Markenrecht. Folglich ist nicht nur der nutzungsberechtigte Vertragspartner von dieser Norm erfasst, sondern auch dessen Organe, Gesellschafter, Hilfsmänner, verbundene Unternehmen im Konzern oder Strohmänner (E. 3.2.2).
Die Schaffung einer Verwechslungsgefahr ist wettbewerbsrechtlich nur relevant, wenn das nachgeahmte Zeichnen Kennzeichnungskraft besitzt. Diese Kennzeichnungskraft wurde vorliegend verneint, weshalb auch eine lauterkeitsrechtliche Verwechslungsgefahr bestehen kann (E. 4.3).
4A_53/2023* (30.08.2023): Lohnfortzahlung gemäss Art. 324 Abs. 1 OR nach Betriebsschliessung zur Bekämpfung des Coronavirus
Vorliegend verneinte das Bundesgericht die Lohnfortzahlung gemäss Art. 324 Abs. 1 OR, da die Betriebsschliessung zur Bekämpfung des Coronavirus nicht zum Betriebsrisiko des Arbeitnehmers gehört. Ob ein Umstand zum Betriebsrisiko gehört, muss im konkreten Einzelfall beurteilt werden. Die Annahmeverweigerung ist immer dann ungerechtfertigt, wenn kein objektiver Grund besteht, der alle trifft (E. 5.3). Prozessrechtlich ist betreffend die Streitwertgrenze vor Bundesgericht interessant, dass die Streitsumme nur CHF 15’000 übersteigt, wenn auf die Bruttobeträge abgestützt wird. Das Bundesgericht hat dies als ausreichend erachtet (E. 1.2).
04.12.2023 – 08.12.2023
Bundesgerichtliche Rechtsprechung
Zusammengefasst von Deborah Kaderli
9C_711/2022* (17.11.2023): Direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2009
In casu stellte sich einerseits die Frage, ob der Steuerpflichtige gemäss Art. 120 Abs. 3 lit. a DBG effektiv von der Verjährungsunterbrechungshandlung Kenntnis nehmen muss und andererseits, ob ein gültiges Vertretungsverhältnis besteht. Obschon sowohl die deutsche Fassung («zur Kenntnis gebracht wird») als auch die französische Fassung («en informe») nahelegen, dass der Steuerpflichtige tatsächlich von der Amtshandlung Kenntnis nehmen muss, kam das Bundesgericht zum gegenteiligen Schluss. Gemäss Bundesgericht wäre dies mit dem Zweck der Verjährungsunterbrechung nicht vereinbar, da der Steuerpflichtige so die Verjährung herbeiführen könnte (E. 3.5.4). Sofern die Amtshandlung dem Steuerpflichtigen nicht direkt mitgeteilt wird, gilt aber die tatsächliche Kenntnisnahme (E. 3.5.5). Grundsätzlich bestehen keine Vorschriften hinsichtlich der Vertretung, weshalb von den konkreten Umständen ausgegangen werden muss (E. 3.7.1). Aus der Tatsache, dass die Treuhandfirma das Fristverlängerungsgesuch für den Steuerpflichtigen stellte, kann kein Vertretungsverhältnis abgeleitet werden. Dafür, dass keine Vertretung besteht, spricht auch, dass das Steueramt selbst eine schriftliche Vollmacht im Veranlagungsverfahren verlangt (E. 3.7.2). Somit wurde die Verjährung nicht unterbrochen und die Steuerforderung ist verjährt (E. 3.8).
20.11.2023 – 26.11.2023
Bundesgerichtliche Rechtsprechung
Zusammengefasst von Can Kirmizikaya
9C_244/2021 (09.11.2023): Berufliche Vorsorge
Das Bundesgericht hiess im genannten Verfahren die Beschwerde einer Stiftung gut. Die Stiftung schloss sich als Arbeitgeberin der Pensions- Witwen- und Waisenkasse des Basler Staatspersonals (PKBS) an. Im Jahre 2008 wies die PKBS für das Vorsorgewerk der Stiftung eine erhebliche Unterdeckung aus. Die Stiftung verweigerte im Jahre 2016 die von der PKBS geforderte Ausfinanzierung eines Fehlbetrags von rund CHF 6.3 Mio., wobei die Stiftung eine fehlende rechtliche Grundlage monierte und die für sie existenzielle Bedeutung der Forderung betonte. Das Bundesgericht erachtete die Begründung der Stiftung als genügend (E. 4.4.).
4A_252/2023 (24.10.2023): Indexierter Mietzins, hypothekarischer Refenzzinssatz
Das Bundesgericht behandelte im genannten Entscheid die nachträgliche Anpassung des Mietzinses am Ende eines nach LIK indexierten Mietvertrages wegen einer Veränderung des hypothekarischen Referenzzinssatzes. Im konkreten Fall hatten die Vertragsparteien einen auf fünf Jahre indexierten Mietvertrag abgeschlossen, mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten, frühestens auf das Ende der Indexierung. Die Vorinstanz senkte den monatlichen Mietzins der Mieter mit der Begründung, dass der hypothekarische Referenzzinsatz gegenüber demjenigen zu Indexbegin. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde der Vermieterin gegen diesen Entscheid gut. Begründet wurde der Bundesgerichtsentscheid damit, dass wenn Mieter oder Vermieter auf Ende eines indexierten Mietvertrags eine Mietzinsanpassung wegen einer Veränderung des hypothekarischen Referenzzinssatzes verlangen, müssen sie dies unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist auf das Ende der Indexdauer tun. Ansonsten ist vermutungsweise davon auszugehen, dass sie mit dem bisherigen Mietzins gemäss Entwicklung des LIK (vorerst) einverstanden sind (E. 3.5.).
9C_335/2023 (26.10.2023): Grundstückgewinnsteuer des Kantons Zürich, Steuerperiode 2016
Die Richter in Lausanne wiesen den Fall an die Vorinstanz zurück, um eine neue rechtliche Beurteilung zu bewirken. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Vorinstanz Fehler gemacht hat, indem sie den Verkaufspreis einer Liegenschaft durch den Verkehrswert ersetzt hat, ohne eine konkrete zusätzliche Gegenleistung zu identifizieren, die der Verkäufer erhalten hat. Es gilt daher zu prüfen, ob eine gemischte Schenkung vorliegt und ob ein Steueraufschub gewährt werden sollte (E. 5.).
13.11.2023 – 17.11.2023
Bundesgerichtliche Rechtsprechung
Zusammengefasst von Cathrin Christian
9C_292/2023 (10.10.2023): Öffentliche Finanzen & Abgaberecht; Tarif der Eidgenössischen Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (ESchK)
Dar vorliegende Entscheid des Bundesgerichts betrifft ein Verfahren vor der Eidgenössischen Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (ESchK) über die Genehmigung eines Tarifs. Die Schiedskommission hatte eine Spruchgebühr von CHF 15’000.- festgelegt, welche sie sodann den Verwertungsgesellschaften auferlegte. Das Bundesverwaltungsgericht hob diesen Entscheid teilweise auf und wies die Schiedskommission an, die Kosten des Genehmigungsverfahrens neu zu verlegen. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) hatte dagegen Beschwerde beim Bundesgericht erhoben.
Der Spruchgebührrahmen gemäss Art. 2 VKEV beginnt bei Vermögensinteressen über Fr. 5 Mio. bei CHF 15’000.- und ist mit CHF 50’000.- begrenzt. Die Schiedskommission hat bei Zugrundelegung eines Vermögensinteresses von rund Fr. 15 Mio. als Spruchgebühr den untersten möglichen Betrag gemäss der Vermögensinteresse-/Spruchgebührtabelle in Art. 2 Abs. 2 VKEV gewählt (E.5.3.3).
Das Bundesgericht entschied, dass sich das Vermögensinteresse im Genehmigungsverfahren nach den zu erwartenden Tarifeinnahmen richtet und bestätigte die Spruchgebühr von CHF 15’000.-.
Die Beschwerde wird folglich gutgeheissen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird aufgehoben und die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.
30.10.2023 – 03.11.2023
Bundesgerichtliche Rechtsprechung
Zusammengefasst von Paul Stübi
6B_821/2021* (06.09.2023): Mehrfache qualifizierte grobe Verletzung der Verkehrsregeln usw., Hausdurchsuchung, Verwertbarkeit von Beweismitteln
Das Bundesgericht hatte die Frage zu klären, ob es sich bei der Hausdurchsuchung um eine unzulässige Beweisausforschung (sog. “fishing expedition”) handelt oder ob die Videos einen Zufallsfund darstellen. Das Bundesgericht kommt nach Darstellung der einschlägigen Lehre und Rechtsprechung zum Schluss, dass es sich im konkreten Fall um eine unzulässige Beweisausforschung im Sinne einer “fishing expedition” handelt. Es erachtet die Hausdurchsuchung angesichts der bereits hinreichend dokumentierten Straftat weder als für die Aufklärung der Straftat geeignet noch erforderlich. Auch mit anderen Strassenverkehrsdelikten konnte die Hausdurchsuchung nicht gerechtfertigt werden. Die Hausdurchsuchung sowie die Beschlagnahme der GoProKamera und SD-Karte waren somit unzulässig. Gestützt auf die Interessenabwägung nach Artikel 141 Absatz 2 StPO bejaht das Bundesgericht jedoch die Verwertbarkeit der unzulässig erlangten Beweismittel für jene Delikte, die aufgrund der konkreten Sachverhaltselemente schwere Straftaten im Sinne dieser Rechtsnorm darstellen.
2C_457/2023* (15.09.2023): Vorbereitungshaft nach Art. 76a AIG (Dublin-Verfahren)
Gegenstand des vorliegenden Entscheides war die Frage, ob die Vorinstanz auf das Haftüberprüfungsgesuch gemäss Art. 80a Abs. 3 AIG nicht eintreten durfte, nachdem der Beschwerdeführer einen “Verzicht auf gerichtliche Überprüfung” abgegeben haben soll (E. 3.). Vorliegend wurde dem Beschwerdeführer am 10. August 2023 durch das Migrationsamt mit Verfügung eröffnet, dass er in Dublin-Haft genommen werde. Auf der letzten Seite der Verfügung hatte er die Möglichkeit, ein Kreuz zu setzen entweder bei “Ich beantrage die gerichtliche Überprüfung der Haft” oder “Ich verzichte auf die gerichtliche Überprüfung der Haft” (Art. 105 Abs. 2 BGG) (E. 4.6.). Das zweite Kreuz kann laut Bundesgericht jedoch lediglich bedeuten, dass der Beschwerdeführer für den Moment auf die Ausübung seines Rechts verzichtet, nicht aber, dass er dauerhaft auf das Recht an sich verzichtet. Er kann jederzeit auf seinen Entscheid zurückkommen, sein Recht auf gerichtliche Überprüfung ausüben und diese verlangen. Dies hat er nach zwei Wochen Haft getan. Die “jederzeitige” gerichtliche Überprüfung ist verfassungs-, konventions- und gesetzesrechtlich (Art. 80a Abs. 3 AIG) explizit vorgesehen (E. 4.1.-4.3., 4.8.). Die Vorinstanz durfte somit nicht auf die Überprüfung der Haft verzichten und hätte auf das Gesuch um Haftüberprüfung eintreten müssen (E. 4.9.).
16.10.2023 – 20.10.2023
Bundesgerichtliche Rechtsprechung
Zusammengefasst von Cathrin Christian
4A_428/2022 (15.09.2023): Obligationenrecht, Abtretung; Vertragsauslegung
In vorliegenden Entscheid befasste sich das Bundesgericht mit der Frage, ob eine Verrechnungserklärung erstmals vor Bundesgericht ins Verfahren eingebracht werden kann. Nach eingehender Diskussion lehnt das Bundesgericht dieses Vorgehen ab (E. 5.5.3): Soweit die Verrechnung erklärt werden muss, damit sie Wirkung entfaltet (Art. 124 Abs. 1 OR), würde eine Berücksichtigung vor Bundesgericht voraussetzen, dass die Partei vor der Vorinstanz prozesskonform eine Verrechnungserklärung behauptet hat. Daran fehlt es, wenn die Verrechnung erst vor Bundesgericht erklärt wird. Eine Verrechnungserklärung vor Bundesgericht kann die Verrechnung an sich bewirken, ist im Ergebnis aber analog zu behandeln wie eine nach Ausfällung des angefochtenen Entscheides erfolgte Zahlung. Ein anderes Ergebnis widerspräche nicht nur dem Willen des Gesetzgebers, es liesse sich auch mit Blick auf die und dem Erfordernis der materiellen Ausschöpfung des Instanzenzuges nicht rechtfertigen.
9C_259/2023 (18.09.2023): Krankenversicherung, Krankenversicherung
Das Bundesgericht überprüfte die Beschwerde eines Arztes, welcher zuvor vom Schiedsgericht in Krankenversicherungsstreitigkeiten des Kantons Basel-Landschaft zur Honorarrückerstattung für mehrere Jahre verurteilt wurde. Dabei klagten mehrere Versicherungen gegen den Arzt aufgrund wiederholter Unwirtschaftlichkeit. Der Arzt legte gegen das Urteil Beschwerde ein und beantragte, die Klagen abzuweisen oder die Sache zur weiteren Abklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Nachdem das Bundesgericht die Beschwerde geprüft hatte, stellte es fest, dass das Schiedsgericht die ANOVA-Methode zur Kontrolle der Wirtschaftlichkeit der Praxistätigkeit des Arztes rechtmässig angewendet hatte. Die Beschwerde wurde abgewiesen.
09.10.2023 – 13.10.2023
Bundesgerichtliche Rechtsprechung
Zusammengefasst von Deborah Kaderli
2C_694/2021* (08.09.2023): Disziplinarverordnung der Universität Zürich
Vorliegend war zu prüfen, wie weit die Autonomie der Universität Zürich als öffentlich-rechtliche Anstalt des Kantons mit eigener Rechtspersönlichkeit reicht. Von Interesse war insbesondere, ob die Autonomie der Universität Zürich auch Disziplinarmassnahmen in Form von Geldleistungen bis zu CHF 4’000.00 erfasst (E. 4.2). Das Bundesgericht erwog, dass generell-abstrakte Normen grundsätzlich vom zuständigen Organ zu erlassen sind, vorbehältlich einer gültigen Gesetzesdelegation (E. 5.2). Inwiefern Sanktionen eine formellgesetzliche Grundlage bedürfen, ist nicht abschliessend geklärt. Die Lehre vertritt die Meinung, dass zumindest schwere Disziplinarmassnahmen einer Grundlage in einem formellen Gesetz bedarf (E. 5.4). Das Bundesgericht stützt die Ansicht der Vorinstanz, dass Geldstrafen in der Höhe von bis zu CHF 4’000.00 für Studierende, welche in der Regel ein durchschnittliches Einkommensverhältnis haben, einschneidende wirtschaftliche Folgen haben können. Dieser drohende Nachteil wird überdies verstärkt, dass die Disziplinarverordnung bei Nichtbezahlen ein Studienausschluss vorsieht (E. 5.5). Weiter führte das Bundesgericht aus, dass vom Umstand, dass auch die Kantone St. Gallen und Freiburg solche Sanktionen kennen, nichts abgeleitet werden kann. Vorgenannte Kantone haben dies auf formellgesetzlicher Stufe geregelt, was ein Indiz dafür ist, dass es sich um eine schwere Disziplinarmassnahme handelt (E. 5.5). Die Art und Weise wie die Sanktion in der Praxis gehandhabt wird, sei überdies nicht eine Frage der gesetzlichen Grundlage, sondern der Verhältnismässigkeit, weshalb die Universität Zürich daraus ebenfalls nicht ableiten könne (E. 5.5).
02.10.2023 – 06.10.2023
Bundesgerichtliche Rechtsprechung
Zusammengefasst von Paul Stübi
8C_307/2022* (04.09.2023): Formlose Streichung der Sozialhilfe nicht zulässig
Einem Sozialhilfebezüger aus dem Kanton Neuenburg wurde aufgrund fehlender Mitwirkung bei der Abklärung seiner finanziellen Verhältnisse formlos die Sozialhilfe gestrichen. Konkret reichte er keine Unterlagen zu seiner schwangeren Konkubinatspartnerin ein. Folglich konnte der Unterstützungsbedarf der Familie insgesamt nicht abgeklärt werden.
Laut Bundesgericht sei die Streichung der Sozialhilfe per se nicht zu beanstanden, da die finanzielle Situation des Betroffenen und seiner Partnerin nicht geklärt werden konnte. Weil die Aufhebung der Sozialhilfe für Leistungsbezüger einschneidende Auswirkungen hat, muss dieser Schritt allerdings im Rahmen eines formellen, anfechtbaren Entscheides erfolgen. Eine bloss informelle Beendigung der Auszahlung der Sozialhilfe ist dagegen nicht zulässig. Im konkreten Fall hat die Behörde die Leistung von Sozialhilfe per Anfang März 2021 formlos eingestellt, weil der Betroffene nicht reagiert hatte. Erst im Sommer ergingen zwei formelle Entscheide, mit denen die Sozialhilfe rückwirkend aufgehoben wurde. Dieses Vorgehen war nicht zulässig. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Betroffene ab März 2021 Anspruch auf die gleichen Sozialhilfeleistungen hat wie zuvor.