Patientenrechte – Datenschutz und Berufsgeheimnis

Patientinnen und Patienten haben Rechte. Was sich so selbstverständlich liest, ist rechtlich vielschichtig. Wir zeigen Ihnen vorab anhand einer ersten Übersicht die grundlegenden Patientenrechte auf. Anschliessend vertiefen wir für den Praxisalltag die Bereiche des Datenschutzes und des Berufsgeheimnisses.

Dr. Peter Burkhalter, Rechtsanwalt, Zentralsekretär SVA ab 2021

 

Übersicht über die verschiedenen Rechte

Welche grundlegenden Rechte kommen Patientinnen und Patienten zu?

Aufgrund der schweizerischen Bundesverfassung (BV) besteht ein Recht auf medizinische Behandlung und Pflege, welches vorab durch die Kantone und ergänzend auch durch den Bund (vor allem durch entsprechende Ausgestaltung der Kranken- und Unfallversicherungen) zu erfüllen ist. Institutionen mit einem öffentlich-rechtlichen Leistungsvertrag sind immer zur Durchführung von Behandlungen verpflichtet. Eine medizinische Fachperson hat demgegenüber auch das Recht, eine Patientin oder einen Patienten abzulehnen, sofern keine Notsituation vorliegt.

Zentrale Grundsätze der Patientenrechte leiten sich aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) ab. Im medizinischen Bereich ist er wesentliche Basis des Rechts auf Selbstbestimmung, woraus sich für Gesundheitsdienstleister die Pflicht ableitet, die Würde und Persönlichkeit sowie den Willen der Patientinnen zu beachten und wahren. Dies zeigt sich zum einen darin, dass aus den medizinischen Behandlungen ergebende Abhängigkeitsverhältnisse nicht ausgenützt werden dürfen und Missbräuche und Verstösse gegen die körperliche und sexuelle Selbstbestimmung verboten sind.

Zum anderen leitet sich aus dem Recht auf Selbstbestimmung auch die im Behandlungsverhältnis sehr zentralen Aufklärungs- und Informationspflichten der behandelnden Fachpersonen gegenüber ihren Patienten und Patientinnen ab. Vor einer medizinischen Behandlung muss stets eine umfassende Aufklärung erfolgen, auf die sich dann die Zustimmung der Patientin oder des Patienten stützen muss (sog. „informed consent“). Eine Behandlung, welche ohne die informierte Zustimmung erfolgt, stellt eine Verletzung der persönlichen Freiheit des Patienten dar und ist im Falle eines Eingriffs auch strafrechtlich relevant (z.B. als Körperverletzung).

Medizinische Behandlungen bedingten ausserdem die Bearbeitung und Dokumentierung der besonders intimen und schützenswerten Gesundheitsdaten. Entsprechend ist die Wahrung der Rechte auf Datenschutz sowie die strafrechtlich geschützte Schweigepflicht von besonderer praktischer Bedeutung.

Patientendokumentation („Krankengeschichte“)

Was ist unter der Patientendokumentation zu verstehen?

Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, eine Patientendokumentation (Krankengeschichte) zu führen, welche die relevanten Untersuchungen, Behandlungen und Überlegungen hierzu festhält. Diese Dokumentation muss sorgfältig, aussagekräftig und vollständig sein und sämtliche Zusatzdokumente (z.B. Röntgenaufnahmen, Operationsberichte, Auskünfte Dritter) enthalten.

Was ist bei der elektronischen Dossierführung zu beachten?

Die elektronische Dossierführung ist erlaubt und ist zunehmend Standard. Wichtig ist hierbei, dass jederzeit nachvollziehbar ist, wer welche Einträge vorgenommen hat. Die FMH empfiehlt daher Login-Funktionen und keine Accounts, die von mehreren Mitarbeitern genutzt werden. Auch Änderungen sollen nachvollziehbar sein, weshalb jeweils verschiedene Versionen zu unterschiedlichen Zeitpunkten abzuspeichern (vorläufige bzw. definitive Berichte) und das Überschreiben früherer Versionen vermieden werden sollte.

Was gilt in Bezug auf die Aufbewahrung der Dokumentationen?

Sowohl bei papierenen als auch bei digitalen Dokumentation gilt eine Aufbewahrungspflicht während mindestens 10 Jahren nach der letzten Eintragung. Gerade für die Abklärung in Versicherungsfällen (z.B. Berufskrankheiten) ist es jedoch hilfreich, wenn diese Dauer von der Arztpraxis auf freiwilliger Basis verlängert wird. Die Aufbewahrung ist so auszugestalten, dass die Daten sicher sind: Die Dokumentationen sind idealerweise in einem abschliessbaren, feuerfesten und vor Feuchtigkeit geschützten Schrank zu verwahren. Bei elektronischen Dossiers sind regelmässig Sicherungskopien zu erstellen, die an einem sicheren Ort zu verwahren und vor Fremdzugriffen zu schützen sind. Bei portablen Medien (Notebooks, Tablet-PCs) ist darauf zu achten, dass die Daten durch eine Verschlüsselung auch bei Diebstahl/Verlust geschützt sind. Ebenfalls ist bei Speicherungen in „Clouds“ darauf zu achten, dass die Daten vor dem Abspeichern in der Cloud lokal verschlüsselt werden.

 

Datenschutz

Was ist bei der Bearbeitung der Gesundheitsdaten zu beachten?

Daten und Aufzeichnungen über die Gesundheit – hierunter fallen insbesondere auch die Patientendokumentationen – gehören gemäss dem schweizerischen Datenschutzgesetz (DSG) zu den besonders schützenswerten Daten. Diese Daten sind vertraulich zu behandeln und dürfen nur mit einer ausdrücklichen oder aus den Umständen zu schliessenden (konkludenten) Einwilligung der betroffenen Personen bearbeitet, bspw. eben schriftlich in einer Patientendokumentation festgehalten werden. Von dieser Einwilligung kann mit Aufnahme einer ärztlichen Behandlung ausgegangen werden.

Bei Falschangaben und fehlerhaften Daten kann die betroffene Patientin verlangen, dass diese berichtigt oder vernichtet werden. Werden bei der Bearbeitung von Gesundheitsdaten Grundsätze des Datenschutzgesetzes verletzt, können betroffene Personen eine Zivilklage anstreben. Insofern dient ein sicheres Datenmanagement auch der Risikominimierung einer Praxis – wobei Sie als MPA aktiv mitwirken können.

Was gilt in Bezug auf das Einsichtsrecht in die Krankengeschichte?

Die betroffenen Personen sowie auch zu deren Vertretung berechtigte Personen (bspw. bei kleineren Kindern) haben ein Recht auf Auskunft und Einsicht in die Patientendokumentation. Der Zugriff darf nur bei überwiegenden eigenen Interessen der Gesundheitsfachperson oder überwiegenden Drittinteressen verweigert werden, z.B. wenn das Dossier auch durch das Berufsgeheimnis geschützte Angaben über Drittpersonen enthält. Auf welche Weise (vor Ort oder mittels Zustellung) Einsicht genommen werden kann, richtet sich primär nach der Übereinkunft der betroffenen Parteien. Eine Kostenbeteiligung kann dann verlangt werden, wenn ein übermässiger Aufwand entsteht.

 

Berufsgeheimnis bzw. Schweigepflicht

Wo ist die Schweigepflicht festgehalten?

Grundlage für die Schweigepflicht ist Art. 321 des schweizerischen Strafgesetzbuchs (StGB), welcher es Ärztinnen und Ärzten sowie deren Hilfspersonen – zu denen insbesondere auch die MPA gehören – verbietet, ein Geheimnis zu offenbaren, welches ihnen aufgrund ihres Berufes anvertraut worden ist oder welches sie bei ihrer Arbeit erfahren haben. Die Verletzung des Berufsgeheimnisses ist auch nach Beendigung der Berufsausübung strafbar. Verstösse werden mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Damit die Strafjustiz ein Verfahren an die Hand nimmt, muss jedoch ein Strafantrag der geschädigten Person vorliegen.

In welchen Fällen gilt die Schweigepflicht?

Da das Berufsgeheimnis auch für MPA gilt, dürfen sie Informationen über den Gesundheitszustand sowie über aktuelle und vergangene Behandlungen der Patientinnen und Patienten nicht weitergeben. Untersagt ist damit vorab die Weitergabe von Informationen an unbeteiligte Drittpersonen, eigene Familienmitglieder (auch gegenüber Lebenspartnern) und Freunden. Anonymisierte Erzählungen aus dem Berufsalltag sollten erlaubt sein – solange sie keine Rückschlüsse auf betroffene Personen erlauben.

Die Schweigepflicht gilt auch unter Ärztinnen und Ärzten (ebenfalls, wenn eine Zweitmeinung eingeholt wird) sowie gegenüber Krankenkassen. Letzteren dürfen Auskünfte nur soweit erteilt werden, als sie für die Beurteilung ihrer Leistungspflichten relevant sind. Innerhalb eines Ärzteteams kann davon ausgegangen werden, dass die Teammitglieder jeweils von ihrer Schweigepflicht befreit sind. Die Schweigepflicht der MPA ist überdies im Mustervertrag der MPA standardmässig integriert.

Wann ist die Weitergabe von Informationen zulässig?

Patientinnen und Patienten können Dienstleister im Gesundheitswesen mit ihrer Einwilligung von der Schweigepflicht entbinden, womit auch gegenüber Angehörigen, Eltern eines urteilsfähigen Kindes, aber auch gegenüber Arbeitgebern und Behörden Daten und Auskünfte bekannt gegeben werden dürfen (Art. 321 Ziff. 2 StGB). Ohne diese Einwilligung dürfen die Daten grundsätzlich nicht herausgegeben werden, auch nicht an Vorgesetzte eines erkrankten Arbeitnehmers. In gewissen Fällen kann bei der Aufsichtsbehörde die Entbindung vom Berufsgeheimnis beantragt werden (Art. 321 Ziff. 2 StGB).

Wer kann in die Weitergabe der Informationen einwilligen?

Eine rechtsgültige Einwilligung können alle Personen erteilen, die gemäss Art. 16 des schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) als urteilsfähig gelten. Als     urteilsfähig gelten demnach alle Personen, welche die Tragweite und Bedeutung einer Handlung bzw. Entscheidung erfassen können und die auf der Grundlage dieser intellektuellen Einschätzung nach ihrem freien Willen handeln können. In unklaren Fällen ist die Urteilsfähigkeit durch medizinische Fachpersonen festzustellen.

Wie verhält es sich bei Kindern und Jugendlichen?

Die Urteilsfähigkeit wird – im Gegensatz zur Handlungsfähigkeit (Art. 17 ZGB) – nicht an einem bestimmten Alter festgemacht. Bei Jugendlichen ist ab 15 Jahren von der Urteilsfähigkeit auszugehen. Ab diesem Alter können sie somit aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechts auch eigenständig bestimmen, wer Zugang zu ihren medizinischen Daten hat. Sie können somit auch die Erteilung von Auskünften an ihre Eltern untersagen (z.B. über die Verschreibung der Antibabypille). Bei Kindern unter 10 Jahren wird hingegen keine Urteilsfähigkeit angenommen, womit es hier den gesetzlichen Vertretern (Eltern) zusteht, medizinisch relevante Entscheidungen zu fällen. Bei Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 15 Jahren ist allerdings aufgrund der Umstände (Reife, Tragweite des Entscheids etc.) zu entscheiden.

Wie verhält es sich bei urteilsunfähigen erwachsenen Personen?

Die Urteilsfähigkeit kann auch aufgrund psychischer Erkrankungen oder altersbedingt (Demenz, Alzheimer) beeinträchtigt sein. Auch hier sind bei Entscheidungen zur Vertretung ermächtigte Personen beizuziehen, an die auch Informationen weitergegeben werden dürfen. Regelmässig handelt es sich dabei auch um von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) eingesetzte Beiständinnen und Beistände. Gerne vertiefen wir diese Thematik in einer der nächsten Ausgaben der PraxisArena.

Wahrung und Umsetzung des Datenschutzes und des Berufsgeheimnisses haben in einer Arztpraxis grosse Bedeutung. Zentral sind die umfassende und transparente Information und Aufklärung der Patientinnen und Patienten, damit sie sich zum einen ernstgenommen und gut aufgehoben fühlen, aber auch, damit sie auf dieser Basis eine informierte Zustimmung abgeben können. Dies wirkt sich letztlich auch enthaftend aus. Nichtsdestotrotz ist auf einen umfassenden Schutz dieser sensiblen Daten zu achten – der gerade mit der zunehmenden Digitalisierung an Bedeutung gewinnen wird.