Keine Wiederherstellungspflicht für Windfang
(Entscheid 100.2018.448U vom 20.4.2020 des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern)
Von Janine Wäber
Sachverhalt
Im Zuge einer Einsprache gegen das Baugesuch von A. zum Bau einer Wärmepumpe verlangten die Nachbarn sogleich, dass der Erweiterungsbau an der Ostseite des Wohnhauses von A. abgerissen werde. Dabei handelt es sich um einen Windfang, der als Hauseingang dient. Er ist mit einem Balkon überdacht und wird seitlich begrenzt durch Stützmauern (Norden und Osten) sowie eine Glastür (Süden) und Glasfenster (Süden und Osten). In der Folge erteilte die Einwohnergemeinde EG sowohl die Baubewilligung für die Wärmepumpe als auch die nachträgliche Baubewilligung für das Einwanden des Windfangs. Die von den Nachbarn dagegen erhobene Beschwerde hiess die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion (BVE; heute: Bau- und Verkehrsdirektion [BVD]) des Kantons Bern teilweise gut, indem sie sowohl für das Erstellen der Wärmepumpe als auch für das Einwanden des Windfangs die Baubewilligung verweigerte. Betreffend den ostseitigen Hauseingang verzichtete sie jedoch auf das Anordnen von Wiederherstellungsmassnahmen und wies die Beschwerde insoweit ab.
Voraussetzungen der Wiederherstellungspflicht
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hatte im nachfolgenden Beschwerdeverfahren der Nachbarn zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht auf die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes verzichtet hat.
In seinen Erwägungen hält das Verwaltungsgericht fest, dass im Fall des Bauabschlags die Baubewilligungsbehörde zugleich darüber entscheide, ob und inwieweit der rechtmässige Zustand wiederherzustellen sei (Art. 46 Abs. 2 Bst. e Baugesetz des Kantons Bern, BauG). Die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands müsse im öffentlichen Interesse liegen, verhältnismässig sein und dürfe den Vertrauensgrundsatz nicht verletzen, was von Amtes wegen zu prüfen sei. Die Wiederherstellung könne u.a. unterbleiben, wenn die Bauherrschaft gutgläubig gewesen sei und nicht gewichtige öffentliche oder private (nachbarliche) Interessen sie gebieten würde oder wenn die Abweichung vom Erlaubten nur unbedeutend sei. Nach Ablauf von fünf Jahren, seitdem die Rechtswidrigkeit erkennbar gewesen sei, könne die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands nur verlangt werden, wenn zwingende öffentliche Interessen es erfordern würde. Unter Bezugnahme auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung führt das Verwaltungsgericht weiter aus, dass der Wiederherstellungsanspruch der Behörden zudem im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich nach 30 Jahren seit Beendigung der rechtswidrigen Arbeiten verwirkt sei, es sei denn, es seien Polizeigüter im engeren Sinn betroffen (statt vieler BGE 136 II 359 E. 8).
Verwirkung des Wiederherstellungsanspruchs
Vorliegend kam das Verwaltungsgericht unter Würdigung der verschiedenen Beweismittel zum Schluss, dass der Balkon und die nordseitige Stützmauer im Jahr 1979 erstellt worden sei, mithin vor über 30 Jahren. In Bezug auf die ostseitige Stützmauer gelangte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass diese im Jahr 2003 gebaut worden sei und die Gemeinde aufgrund der Handnotiz auf dem Handskizzenplan, wonach gemäss Auskunft des Bauinspektorats für den Bau der Stützmauer keine Bewilligung nötig sei, im selben Jahr vom Bauvorhaben erfahren habe. Die Fünfjahresfrist nach Art. 46 Abs. 3 BauG sei demnach abgelaufen. Der Wiederherstellungsanspruch sei daher für diese Bauten verwirkt.
Keine gewichtigen öffentlichen oder privaten Interessen an der Wiederherstellung
Zu prüfen blieb, wie es sich mit der Glastür und den Glasfenstern verhalte, mit denen der Windfang vollständig verschlossen worden sei, da die Gemeinde davon erst im Jahr 2018 Kenntnis erhalten habe. Das Verwaltungsgericht erwog dabei, dass sich die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands vorliegend nur rechtfertige, wenn gewichtige öffentliche oder private Interessen sie erfordern, da der Bauherr gutgläubig gewesen sei. Gewichtige öffentliche Interessen, zu denen u.a. die Wahrung der Zonenkonformität, insbesondere in der Landwirtschaftszone, sowie der Schutz von Natur, Landschaft, Ortsbild und Umwelt gehörten, seien hier aber nicht verletzt.
Bezüglich der privaten (nachbarlichen) Interessen würden die Nachbarn nicht darlegen, inwiefern der umschlossene Windfang ihr Grundstück beeinträchtigen sollte. Dabei seien nur negative Auswirkungen durch die Glastür und die Glasfenster zu berücksichtigen, da der Balkon und die Stützmauern nicht wiederhergestellt werden müssten. Der alleinige Umstand, dass die Glastür und die Glasfenster den Grenzabstand verletzten, würde jedenfalls nicht genügen. Die Bauteile würden weder die Belichtung noch die Aussicht oder die Ästhetik auf der Nachbarparzelle beeinträchtigen. Das Verwaltungsgericht bestätigte daher den vorinstanzlichen Entscheid, wonach keine gewichtigen privaten (nachbarlichen) Interessen eine Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands gebieten würden, weshalb es die Beschwerde abwies.
Autorin
Janine Wäber, MLaw, Rechtsanwältin, Partnerin bei Burkhalter Rechtsanwälte Bern/Zürich (www.drpb.ch) mit Tätigkeitsschwerpunkten im Miet-, Bau- und Immobilienrecht.
Publiziert in: Newsletter von WEKA Bau- und Immobilienrecht, Ausgabe Dezember 2020 / Januar 2021, S. 10